Dauerhafter Schutz - nicht nur Schutzfristen

Für den Bezirksverband der Gartenfreunde Berlin-Treptow war 2009 ein erfolgreiches Jahr. Die Mitgliedsvereine leisteten beachtenswerte Beiträge. Die sachbezogene und kompetente Arbeit der Mitglieder, das kommunalpolitische und soziale Engagement der Vereine und ihre öffentliche Ausstrahlung veranlassen den Vorstand, die im 90. Jahr des Bezirksverbandes anstehenden Aufgaben mit Optimismus in Angriff zu nehmen.

Zum Dienstleister gemausert

Positiv ist zu werten, dass sich unser Verband immer stärker zu einem Dienstleister für das Kleingartenwesen entwickelt. Die Profilierung als Dachorganisation des Treptower Kleingartenwesens wird sich auch zukünftig durch die Wahrnehmung der satzungsgemäßen Aufgaben, die fachliche Betreuung sowie die Qualifizierung der Funktionsträger fortsetzen. Der Alltag in dem seit zwei Jahrzehnten einheitlichen Berliner Kleingartenverband, die neuen administrativen Entwicklungen in Berlin und die Bedrohung der Anlagen durch manche Stadtplaner und Bodenspekulanten belegen, dass das Kleingartenwesen eng mit nahezu allen gegenwärtigen und künftigen Entwicklungsproblemen Berlins verwoben ist. Während weitsichtige Klimaschützer, Stadtplaner und Mediziner für die Vorteile der innerstädtischen grünen Oasen werben, scheint die Uhr bei manchen Kräften im Berliner Senat anders zu ticken, wie seine jüngsten Entscheidungen zu den sogenannten Schutzfristen zeigen.

Lobeshymne angestimmt

In der Pressemitteilung des Senats wird eine unangebrachte Lobeshymne darauf angestimmt, dass 80 Prozent der Kleingartenflächen in Berlin dauerhaft erhalten werden sollen. Es wäre gelungen, die ursprünglich bis 2010 bzw. 2014 bestehenden Schutzfristen für 146 Anlagen (8 Prozent) bis zum Jahr 2020 zu verlängern.
Für weitere 19 Anlagen bestände die Schutzfrist bis 2014 weiter; sofern die Entwicklung dieser Bereiche nicht wie vorgesehen erfolge, wäre eine nochmalige Verlängerung der Schutzfrist bis 2020 zu prüfen.
Während die Senatorin zum Ausdruck bringt: „Ich freue mich, dass im Vergleich zu dem im Mai eingebrachten Entwurf die Perspektive für weitere Kleingartenanlagen verbessert worden ist“, kommt bei den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern Treptows über diese „Verbesserungen“ keine Freude auf. Denn das Treptower Kleingartenwesen ist im Ergebnis des Senatsbeschlusses „Zur Fortschreibung des Kleingartenentwicklungsplanes“ existenziell betroffen.

Analyse untermauert Forderungen

Lassen wir die Fakten sprechen:

Der Beschluss des Senats sichert bis 2020 17 landeseigene Kleingartenanlagen oder Teilflächen in Treptow;

  • für sechs landeseigene Kleingartenanlagen oder Teilflächen Treptows erfolgt keine Verlängerung der Schutzfristen;
  • betroffen sind 529 Parzellen in vier Kleingartenanlagen, die über 100 und zwei Kleingartenanlagen, die über 90 Jahre alt sind;
  • mit dem Auslaufen des Bestandsschutzes für Wochenendsiedler auf einem erheblichen Teil der Treptower Kleingartenflächen unternehmen private Bodeneigentümer bereits heute Anstrengungen zur gewinnträchtigeren Verwertung ihrer Flächen, indem sie unterstellen, dass die Kleingartenanlagen nie einen solchen Charakter besessen hätten;
  • 2009 hat der Verband bereits eine Kleingartenanlage verloren, ohne dass dafür eine Ersatzfläche bereitgestellt worden wäre.


Unser Verband hält sich nicht mit Klagen über die gegenwärtige Situation auf, sondern fordert für die Zukunft Verbindlichkeiten, die Bewährtes erhalten, Sicherheiten bieten und nicht zerstörend wirken.
Die Erfahrungen des Verbandes mit bürgergenutzten Grünbereichen in dicht bevölkerten Ballungszonen belegen, dass das Kleingartenwesen weder ein Relikt noch „kleinbürgerliches“ Verhalten darstellt. Die Leistungen, die das Kleingartenwesen erbringt, haben mit Egoismus der Kleingärtner nichts zu tun. Sie kommen der ganzen Stadt und allen ihren Bewohnern zugute.
Unsere Analysen verdeutlichen, dass das Bedürfnis für eine Kleingartenparzelle ungebrochen hoch ist. Seit 2007 haben sich 1381 Bürger in die Bewerberlisten des Verbandes eingetragen. Dem stehen im gleichen Zeitraum 753 Kündigungen und 728 Neuverpachtungen gegenüber, so dass sich gegenwärtig 25 Parzellen in der Vergabe befinden. Bei aktuell 302 Bewerbern ergibt sich eine Wartezeit auf einen Kleingarten von mehreren Jahren. Damit ist im Verantwortungsbereich des Bezirksverbandes ein Niveau erreicht, das dem zum Ende der 1970er- Jahre entspricht. Nur mit dem Unterschied, dass bis Mitte der 80er Jahre in Treptow 16 neue Kleingartenanlagen mit 763 Parzellen entstanden. Auch wenn die Motive und Beweggründe damals andere waren, war das im wahrsten Sinne des Wortes Kleingartenentwicklung. Welch eine Schere tut sich zu dem auf, was der Senat heute als „Kleingartenentwicklungsplan“ anbietet.

Urbane Bedeutung

Die Bewerbergespräche belegen: 

  • Die Motive für das Betreiben von Kleingärten haben sich verändert und erweitert. Der unmittelbare Lebensunterhalt und der Aufenthalt an frischer Luft stehen nicht mehr allein im Vordergrund.
  • Der sozial- und gesundheitspolitischen Funktion der Kleingärten kommt eine wachsende Bedeutung zu, der wir Rechnung tragen müssen.
  • Auch für die Ausgestaltung einer lebendigen, demokratischen Zivilgesellschaft leistet das Kleingartenwesen einen wirkungsvollen Beitrag. Die Gartenvereine funktionieren allein durch das Engagement der Kleingärtner selbst. Alle für die Gemeinschaft notwendigen Aufgaben werden gemeinsam erörtert und gelöst, wobei die ehrenamtliche Arbeit dominiert.
  • Als ein bedeutsames neues Moment hat sich im Berliner Kleingartenwesen die Integration von Migranten in die Vereine erwiesen.
  • Die wachsende Bedeutung der Kleingartenareale für den Naturhaushalt der Stadt steht zudem außer Frage. Neben den öffentlichen Parkanlagen und Stadtforsten tragen die grünen Oasen“ dafür Sorge, dass Berlin nicht zu einer unwirtlichen Steinwüste verkommt. Damit leistet das Berliner Kleingartenwesen einen unverzichtbaren Beitrag zum Klimaschutz.


Leistungskatalog

Die Leistungen der Kleingärtner und die Bedeutung der Kleingartenanlagen für die Stadt machen es erforderlich, das Kleingartenwesen als bereits vorhandene und bewährte Form der Einbeziehung der Natur in die städtische Gesellschaft nachhaltig zu fördern. Schutzfristen für das Kleingartenwesen hatten sicherlich ihre Berechtigung; heute sind sie kein ausreichendes Mittel mehr. Eine moderne Stadtentwicklungspolitik muss die Kleingärten und die Verbände der Kleingärtner bewusst und zielstrebig in die Zukunftskonzepte einbeziehen.


Günter Landgraf

1. Vorsitzender BV-Treptow

Obenstehender Beitrag ist erschienen im Gartenfreund März 2010, Seite 3/32