Lauben, Luftschlösser und Populismus

Zum Streit um die Verteidigung der Kleingartenanlagen
Antwort von Günter Landgraf, Vorsitzender des Bezirksverbandes Treptow auf den offenen Brief des VDGN


In dem offenen Brief vom 9. August 2011 an den Landesverband Berlin der Gartenfreunde e.V. und an die beiden Autoren der Artikel im Berliner Gartenfreund Nr. 07-2011 Seiten 7/10 bis 7/12 hat der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) sich zu den Grundlagen des Kleingartenrechts und zur Zukunft von Kleingartenanlagen geäußert. Ein Kernpunkt seiner Aussage ist, dass es nicht nur geboten ist, die Kleingartenanlagen zu verteidigen, sondern ihnen eine langfristig sichere rechtliche Grundlage zu geben. Darin stimme ich voll überein und sehe hierin die Grundlage für eine von Vernunft und Realismus geprägten Zusammenarbeit beider Verbände, um dieses Ziel zu erreichen.


Zu dieser Vernunft sollte vor allem ein sachliches Abwägen der Stärken und Grenzen des derzeit geltenden Bundeskleingartengesetzes (BKleingG) gehören. Töne von einem „reaktionären und kleingärtnerfeindlichen“ Gesetz , wie sie im Verband Deutscher Grundstücksnutzer und in diesem offenen Briefe zu hören sind, werden dem Wesen dieses Gesetzes nicht gerecht und behindern die Anstrengungen, dieses Gesetz im Interesse der Kleingärtner voll auszuschöpfen. Das ist vor allem deshalb erforderlich, weil die Kleingärtner zurzeit offensichtlich noch nicht jene gesellschaftliche Kraft ausstrahlen, Gesetzesänderungen sofort zu bewirken, obwohl die Verbände der Gartenfreunde Berlins dieses Ziel nicht aus dem Auge verloren haben.


Bei dem Bundeskleingartengesetz handelt es sich keineswegs um ein Gesetz, das den Kommunen lediglich den geschickten Umgang mit Baulandreserven und den rigiden und spekulativen Umgang Kleingartenland ermöglicht, wie es im genannten Brief heißt.
Diejenigen, die sich einen Garten nur dann leisten können oder wollen, wenn die Pachten, wie im Kleingartenrecht, gesetzlich beschränkt werden und die gleichzeitig darauf vertrauen können, dass ihr Nutzungsrecht langfristig besteht, werden dieser Möglichkeit beraubt, wenn das Gesetz bewusst und zielgerichtet unterlaufen wird.


Das Bundeskleingartengesetz ist mit Sicherheit nicht das Gelbe vom Ei für einen umfassenden Schutz der Kleingärtner. Es ist aber ebenso sicher eine riesige soziale Errungenschaft aus der Zeit der sozialen Bewegungen nach dem ersten Weltkrieg, von der jetzt noch zahllose Menschen profitieren. Heute wäre eine solche gesetzliche Regelung kaum erreichbar. Es gilt, dieses Geschenk der Kleingartenbewegung zu verteidigen und zu bewahren, aber auch in die Bedingungen der jetzigen Zeit zu integrieren. Diesem übergreifenden Ziel ordnet der Treptower Verband alles unter richtet seine Verbandsarbeit entsprechend aus.


Zur Sachlichkeit gehört ebenso, die vom dem VDGN erstrittenen Regelungen nüchtern zu bewerten, bestehende Wohnrechte in den Anlagen und überdimensionale Lauben vorerst zu sichern oder mit einem Wohnhaus bebaute Parzellen zu kaufen. Diesen Vorgängen liegen ganz besondere historische Ursachen und Bedingungen zugrunde, die der einzelne Kleingärtner nicht beeinflussen konnte und zu verantworten hat. So sehr die erreichten Regelungen den Interessen der konkret Betroffenen entgegenkamen, so sehr bergen sie auch die Gefahr der ‚inneren Aushöhlung’ der Kleingartenanlagen in sich. Als Modell für die langfristige Sicherung der Kleingartenanlagen können sie nicht gelten. Für die gedeihliche Zusammenarbeit beider Verbände ist die Auseinandersetzung über diesen Punkt unerlässlich.

Wenn der VDGN unseren Verband auffordert, „für progressive rechtliche Rahmenbedingungen“ und für eine „fruchtbare Kleingartenpolitik“ des Berliner Senats einzutreten, rennt er bei uns offene Türen ein. Geht es doch im praktischen Leben der Kleingartenbewegung schon längst darum, gemeinsam jene Kräfte zu mobilisieren, die eine Ausschöpfung der Potenzen des jetzt geltenden Gesetzes und weitergehende Gesetzesänderungen erst ermöglichen.


Sicherlich wäre es schön, wenn es gelingen würde, das Bundeskleingartengesetz sofort zu modernisieren und auf diesem Wege die Kleingartenanlagen zum integrierten Bestandteil der Stadtplanung und der Wahrung der Interessen der Kleingärtner zu machen.
Aber allein mit ‚Forderungen’, die in ihrer Umsetzung illusorisch sind und die Rechtsgrundlagen für die bestehenden Anlagen zerstören, ist der politische Einfluss der Kleingärtner nicht zu realisieren. Es entsteht sogar die Gefahr des Schürens von Konflikten in den bestehenden Anlagen und eine Schwächung der Interessenvertretung der Kleingärtner.

Ein wesentlicher Bestandsschutz für die bestehenden Kleingartenanlagen kann schon jetzt dadurch erreicht werden, dass diese Anlagen für die Bevölkerung der Stadtteile lebenswichtig werden – durch Integration und Zusammenarbeit mit bestehenden Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten, Parkanlagen und vielen anderen Möglichkeiten. Diese Öffnung in die bestehenden Einrichtungen und Stadtteilstrukturen bilden einen effektiven Schutz gegen die Durchsetzung von Interessen von Bodenspekulanten und abgehobenen Bauleitplanern in den Behörden. Werden die Kleingärten tatsächlich zum festen Bestandteil in der Infrastruktur der Stadtteile, können sie von den Planungsbehörden und den sich dort durchsetzenden Kapitalinteressen nicht mehr übergangen werden, weil sich eine große Gruppe der Bevölkerung dagegen zur Wehr setzt.
Sind die Kleingärtner isoliert und ihre unterschiedlichen Verbände zerstritten, sind sie im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Schritt für Schritt und Anlage für Anlage ausschaltbar. Dies lässt sich nicht verhindern durch kraftlose Forderungen zu Gesetzesänderungen, sondern nur dadurch, dass sich die Kleingartenanlagen den Interessen der Bevölkerung in den Stadtteilen vollständig öffnen und sich mit zahlreichen Institutionen verbinden. Eine Voraussetzung dafür ist, dass sich die Anlagen nicht aufgrund von Verstößen gegen die bestehende Rechtslage angreifbar machen, sondern die im BKleingG angelegten Schutzmöglichkeiten voll ausschöpfen. Dem neue und kräftige Impulse zu geben sollte gemeinsames Anliegen sein.

Günter Landgraf

1. Vorsitzender BV-Treptow

Obenstehender Beitrag ist erschienen im Gartenfreund November 2011, Seite 11/12