Stadtentwicklung mit, nicht gegen Kleingartenanlagen

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90 Jahre Bezirksverband der Gartenfreunde Berlin-Treptow e.V. (VGT)

Stadtentwicklung mit, nicht gegen Kleingartenanlagen

Festakt anlässlich 90 Jahren organisierten Kleingartenwesens in Treptow am 19.06.2010

Artikel im Gartenfreund Heft 8 August 2010, Seiten 8/14 bis 8/16

Stets Treptower Impulse auch fürs Berliner Kleingartenwesen Bezirksverband setzt sich als Dienstleister nachhaltig für die Interessen seiner Mitglieder ein

Die Kleingartenbewegung in Treptow blickt im Juni mit einem Festakt auf 90 Jahre organisiertes Kleingartenwesen in ihrem Stadtteil zurück. Eine wechselvolle, entwicklungsreiche Zeit, die Günter Landgraf, Vorsitzender des mitgliederstarken Bezirksverbandes Treptow, im „Gartenfreund“-Interview Revue passieren lässt.


Gartenfreund: Der Bezirksverband Treptow kann auf eine traditionsreiche Kleingartenbewegung bauen. Worauf sind Sie besonders stolz?
Günter Landgraf: Für mich ist bedeutsam, dass sich hier eine der Wurzeln für die historisch gewachsene Berliner Kleingärtnerbewegung befindet und dass die Treptower Kleingärtner sehr viel für die Organisation und Interessenvertretung der Pächter und Verbandsmitglieder Berlins geleistet haben. An dieser ehrenvollen Aufgabe seit 30 Jahren mitwirken zu können, erfüllt mich tatsächlich mit Stolz. Ich empfinde jedoch vor allem die Verpflichtung, diese Tradition zu pflegen und für kommende Kleingärtnergenerationen zu erhalten.

Worauf richtet sich Ihr historisches Augenmerk dabei?
Besondere Bedingungen Treptows trugen dazu bei, dass die sich hier entwickelnde Kleingartenbewegung früh über Ortsgrenzen hinaus ihre Wirkung entfaltete. Im ausgehenden 19. Jahrhundert führte das Ringen um ein Stück Land unter den Kleingärtnern zur Erkenntnis, dass ein Zusammenschluss ihrer kleinen Vereine notwendig ist, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Diese Bestrebungen mündeten am 9. Februar 1901 in die Gründung der leistungsstarken ‚Vereinigung sämtlicher Pflanzervereine Berlins und Umgegend’. Zu den acht Gründungsunterzeichnern gehörte der Pflanzerverein Ohm Paul, der seine Laubenkolonie am Dammweg/Ecke Köpenicker Landstraße hatte. Damit leistete das Treptower Kleingartenwesen von Anfang an für die Entwicklung der organisierten Kleingartenbewegung Berlins einen überaus wertvollen Beitrag.

Welche Auswirkungen hatte die Gründung der Organisation für die Entwicklung des Treptower Kleingartenwesens?
Zum einen beförderte sie das Bestreben Berlins, frühzeitig Ländereien langfristig außerhalb der Gemarkung des Stadtgebietes als Gartenland zu nutzen. Zum anderen zahlte sich die Gründung der Organisation während der schweren Kriegsjahre 1914 bis 1918 für die Kleingärtner aus. Verbunden mit den eigenen Bemühungen der Kleingärtnerorganisation, geeignete Flächen für die Mitglieder anzuwerben, waren das günstige Bedingungen für die Laubenkolonisten. Es entstanden auf Treptower Gebiet an der Neuen Krug Allee rund 8000 und auf der Gemarkung zwischen Ringbahn und Anschlussbahn Rixdorf-Niederschöneweide etwa 6000 Gärten.

Welche Belastungen für das Kleingartenwesen brachte der Erste Weltkrieg mit sich?
Diese Jahre waren für die ganze Bevölkerung schwierige Zeiten. Ich erinnere an den noch heute bekannten Begriff des Kohlrübenwinters 1917. Es mangelte an Ernährung, Gesundheit, Bekleidung und Unterkunft, wovon auch die Laubenkolonisten betroffen waren. Aber gerade in dieser Zeit erhielt die Kleingartenbewegung einen neuen Stellenwert. Bei den Behörden wuchs die Einsicht, der ernährungswirtschaftlichen Funktion des Kleingartens mehr Beachtung zu schenken, was zum Erlass einer ganzen Reihe von Notverordnungen führte, die unter anderem die Eindämmung der Pachtpreise und die Bereitstellung von städtischem Gelände zur Gartenbestellung vorsahen. Es vollzog sich faktisch mit behördlicher Genehmigung der Wandel hin zum Nutzgarten als Quelle der Selbstver-sorgung. Zudem prägte sich unter Kriegsbedingungen der Solidargedanke der Laubenkolonisten zu einem wesentlichen Merkmal der Kleingartenbewegung aus. Außerdem spielten die Frauen in den Vereinen eine größere Rolle, auch wenn die Gleichstellung von Mann und Frau im Kleingartenwesen damit noch nicht vollzogen war.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Bedeutung der „Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung“ von 1919 für die Kleingartenbewegung?
Dass diese Ordnung als erstes Sozialgesetz der neuen Republik am gleichen Tag wie die Weimarer Verfassung verabschiedet wurde, war kein Zufall. Damit erfolgte ein entscheidender Schritt zum Erhalt und zur Sicherung von Kleingartenland. Neben der Festsetzung von angemessenen Pachtpreisen beschränkte sie die Aufkündigung des Pachtvertrages durch den Bodeneigentümer, forderte bei Pachtstreitigkeiten Schiedsverfahren und erlaubte in dringenden Fällen Zwangspachtungen zugunsten von Kleingartenbedürftigen. Diese gesetzliche Regelung stellte eines der wichtigsten Instrumente zur Förderung der Kleingartenbewegung dar.

Mit der Gründung Groß-Berlins 1920 wurde Treptow eingemeindet. Wie wirkte sich das auf das Kleingartenwesen aus?
Für den Ort und das hiesige Kleingartenwesen ergaben sich wesentliche Veränderungen. Treptow, das sich von einem Vorort über einen Gutsbezirk zu einer selbständigen preußischen Landgemeinde des Kreises Teltow entwickelt hatte, war nun ein Bezirk der Hauptstadt Deutschlands. Die Umsetzung des ‚Gesetzes über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin’ hatte im Kleingartenwesen bereits im Vorfeld die Gründung von selbständigen Bezirksverbänden zur Folge. In Treptow ergab sich auf Grund seiner historischen Entwicklung die Besonderheit, dass die Kleingärtnervereine in zwei Bezirksverbänden organisiert waren, dem Bezirksverband ‚Treptow-Süd-Ost’ und dem Bezirksver-band ‚Neukölln-Treptow’, später ‚Berlin-Süden’. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und der Inkraftsetzung der Gleichschaltungsgesetze erfolgte 1933 die Umbildung der Bezirksverbände in Stadtgruppen, die in den neuen Reichsverband aufgenommen wurden.

Nach 1945 vollzogen sich in Deutschland unterschiedliche Entwicklungen. Wie sah das beim Treptower Kleingartenwesen aus?
Bereits im Januar 1946 genehmigte die Alliierte Kommandantur die Bildung von Organisationen der Kleingärtner im Stadtgebiet. Wie schon 1901 gingen auch jetzt wieder die Treptower Kleingärtner in der Aufbauarbeit mit voran. So nahm Wilhelm Lachmund, der in Adlershof die Kolonie ‚Birkenwäldchen’ gegründet hatte und 1929 in den Vorstand des Bezirksverbandes Süd-Ost gewählt worden war, sofort nach dem Zusammenbruch des Naziregimes seine Arbeit in der Organisation der Kleingärtner wieder auf, die er 1933 hatte niederlegen müssen. Unter seiner Federführung legte der Vorstand von ‚Treptow-Süd-Ost’ bereits am 20. August 1946 die Satzung zur Umbenennung des Verbandes in ‚Bezirksverband Berlin-Treptow der Kleingärtner, Siedler und bodennutzenden Grundbesitzer e.V.’ vor. Die Gründung wurde im Oktober 1946 vollzogen. Lachmund übernahm im Januar 1947 das Amt des Geschäftsführers.

Hat sich Treptow in den Wiederaufbau der Berliner Kleingartenorganisation eingebracht?
Durchaus. Im Juni 1945 vollzog sich die Verschmelzung des Landesbundes Berlin-Brandenburg der Kleingärtner e.V. mit der Gau- und Provinzgruppe Berlin-Brandenburg der Kleinsiedler und Eigenheimbesitzer e.V. in den ‚Provinzialverband Berlin-Brandenburg der Kleingärtner und Kleinsiedler’. Dieser änderte als Ausdruck eines neuen Anfangs ein Jahr später seinen Namen in ‚Zentralverband der Kleingärtner, Siedler und bodennutzenden Grundbesitzer e.V.’. Hier wurde Wilhelm Lachmund zunächst Beisitzer und im Sommer 1948 zum 2. Vorsitzenden berufen. Nach der Spaltung des Verbandes übernahm Lachmund die Leitung der Organisation und wurde am 16. Januar 1949 durch die Delegierten einstimmig zum 1. Vorsitzenden des Zentralverbandes gewählt.

Wer hat warum gespalten?
Das muss man im Kontext der damaligen gesellschaftlichen Situation sehen. Die Spaltung erfolgte nicht aus der Berliner Kleingartenorganisation heraus, sondern im Ergebnis der sich immer stärker zuspitzenden politischen Auseinandersetzungen zwischen den West- und Ostsektoren Berlins. Ein weiterer schmerzhafter Einschnitt war der 13. August 1961. Während die Trennung der Berliner Kleingartenorganisation von 1948 noch zu kompensieren war, verloren durch den Mauerbau allein in Treptow über 1.200 Kleingärtner ihre Parzellen und gingen unzählige soziale Bindungen zwischen den Kleingärtnern verloren.

Wie wirkten sich diese Einschnitte auf die Entwicklung des Kleingartenwesens im Ostteil der Stadt und in Treptow aus?
Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 kam es im Februar 1951 zur Umbenennung der Treptower Bezirksorganisation in ‚Bezirksverband der Kleingärtner und Siedler’. Zu dieser Zeit waren in 120 Vereinen rund 9700 Treptower Kleingärtner organisiert. Mit der Gründung des DDR-weiten ‚Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter’ (VKSK) am 28. und 29. November 1959 als Massenorganisation und der Annahme seines Statuts verloren die Verbände und Vereine ihre ursprüngliche Funktion als politisch unabhängige Zusammenschlüsse, insofern der VKSK die führende Rolle der SED in der DDR-Gesellschaft in sein Statut aufnahm. Mit den sich anschließenden Wahlen der Vorstände in den Sparten sowie den VKSK- Kreis- und Bezirksverbänden fand die Installation der neuen Organisation ihren Abschluss.

Die Ereignisse von 1989 und 1990 dürften abermals einen erheblichen Einschnitt für das Treptower Kleingartenwesen bedeutet haben.
Im Ergebnis der ‚der Wende zum der DDR in die BRD’ wurde am 30. Mai 1990 der ‚VKSK Kreisverband Treptow’ in den ‚Bezirksverband der Garten- und Siedlerfreunde Berlin-Treptow e.V.’ überführt. Diese Umbildung, die ein Vorgriff auf die Gründung des Landesverbandes der Garten- und Siedlerfreunde (VGS) am 3. Juli 1990 darstellte, war die Voraussetzung für die Sicherung der Rechtsnachfolge und die vertragsgerechte Absicherung der Interessen der Treptower Kleingärtner. Auch hier waren es wieder die Treptower Kleingärtner, die unter den neuen Bedingungen um die Sicherung der Kleingärten bemüht waren. Vor allem die Vorstände der Anlagen, die sich auf privatem Grund und Boden befanden, waren zum schnellen Handeln gezwungen.

Wie vollzog sich der Beitritt zum Landesverband?
Intensive Diskussionen in den Anlagen und im Verband, führten zu der Überzeugung, dass eine gemeinsame Interessenvertretung unabdingbar war. Am 27. Februar 1991 beantragten wir die Mitgliedschaft im Landesverband Berlin der Gartenfreunde e.V., die seit 1. April 1991 besteht. Seit Oktober 1992 führen wir den Namen ‚Bezirksverband der Gartenfreunde Berlin-Treptow e.V.’.

Wenn Sie ein Fazit über 90 Jahre Treptower Kleingartenbewegung ziehen, was ist aus Ihrer Sicht hervorzuheben?
Erstens: Die Treptower Bezirksorganisation der Kleingärtner ist unter den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Verhältnissen ihrem Satzungsauftrag nachgekommen und hat die Interessen ihrer Mitglieder erfolgreich vertreten. Zweitens möchte ich aus aktueller Sicht hervorheben, dass sich unser Verband nach der Berliner Verwaltungsreform als nachhaltiger Dienstleister für seine Kleingärtnervereine profiliert hat, ganz im Sinne der Gründer des Kleingartenwesens. Nach der Losung unserer Väter und Großväter „Was erhalten werden soll, muss sich ändern“, sehe ich drittens die Notwendigkeit, die sich rasch verändernden Rahmenbedingungen für die Kleingartenbewegung immer wieder neu zu analysieren, unsere Ziele und Strategien rechtzeitig anzupassen. Deshalb bringt sich unser Verband mit anderen Bezirksverbänden aktiv in das Projekt von ‚Leitlinien zur Zukunftsfähigkeit des Berliner Kleingartenwesens’ ein.

Quelle: Gartenfreund, Heft 6/2010

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